Über sieben Punkten musst du stehen ... der Einstieg in den olympischen 49er
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- 3020
Nachdem mein „alter“, ebenfalls aus dem WYC stammender Vorschoter Julius Schultheiss seit Anfang des Jahres in den Abiturvorbereitungen steckte, begann ich die Saison mit dem aus Bayern stammenden Johannes Sattler. Um erst einmal wieder ein Gefühl für das Boot zu bekommen begannen wir mit fünf Tagen Training in Barcelona mit Marc Schulz, unserem Trainer am Bundesstützpunkt Nachwuchs Süd (in Seemoos angesiedelt).
Danach wurden die Boote verladen und nach Palma gebracht, wo Ende Februar unser erstes Training mit der 49er-Nachwuchstrainingsgruppe des Bundesstützpunktes Kiel auf dem Plan stand. Zusammen mit unserem Trainer Patrick Böhmer und fünf weiteren Teams begannen wir hier unseren ersten Trainingsblock auf Mallorca. Da wir jedoch immer noch zu leicht für das Herrenrigg waren, segelten wir alle mit dem 49er FX – der Damenversion des 49ers. Zwar sind die beiden Segel aufgrund der unterschiedlichen Segelfläche schwer zu vergleichen, jedoch konnten wir so auch bei sehr viel Wind effektiv trainieren und viele technische Abläufe festigen, welche aufgrund des identischen Rumpfes gleich sind mit denen im 49er – alles bei 25°C und blauem Himmel.
Im März und April folgten zwei weitere Trainingsblöcke auf Palma, genauso erfolgreich wie der erste. Gegen Ende des dritten Blocks verlegten wir das Training dann mehr und mehr von Technikübungen auf Wettkampfsituationen mit anderen Teams aus aller Welt, von Schweden bis Japan waren viele Nationen bei unseren Trainingswettfahrten vertreten.
Regattaauftakt in Medemblik
Ähnlich international war auch unsere erste Regatta des Jahres in den Niederlanden. Bei der Delta Lloyd Regatta in Medemblik traten wir – immer noch im 49er FX – zum ersten Mal unter Wettkampfbedingungen gegen die anderen Teams an. Die ersten beiden Tage konnten wir bei Wind bis zu 22 Knoten zeigen, wie sehr sich das viele Training gelohnt hatte: Wir lagen zwischenzeitlich auf Platz 4 von 30 Teams! Allerdings brachte der letzte Tag vor dem Medal Race (die ersten 10 Boote segeln noch ein abschließendes Rennen, die Punkte werden dabei doppelt gewertet) noch einmal sehr wenig Wind. Zwar waren wir mit unseren 140 Kilo Teamgewicht nach wie vor 20 Kilo zu leicht für das große 49er-Rigg, für das kleinere FX-Rigg jedoch bereits zehn Kilo zu schwer, was sich bei fünf Knoten Wind und extrem kabbeliger Welle deutlich bemerkbar machte. Am Ende des Tages lagen wir auf dem elften Platz, sieben Punkte trennten uns vom erhofften Medal Race. Natürlich war die Enttäuschung groß, alles in allem war unsere Platzierung jedoch immer noch deutlich besser als alles, was man sich im Vorhinein hätte wünschen können.
Mit der Regatta in Holland trennte ich mich auch von meinem Vorschoter Johannes, welcher seitdem wieder im 29er mit seinem Bruder segelt und sich dieses Jahr hoffentlich für die ISAF Youth Worlds in China qualifiziert. Mein neuer Vorschoter, ebenfalls aus Bayern und ebenfalls aus meiner alten 29er-Trainingsgruppe, war von nun an Lukas Hesse. Anfang Juni saßen (bzw. standen) wir das erste Mal gemeinsam im Boot, 12 Tage Training in Kiel standen auf dem Plan. Mit dem Ziel im Hinterkopf, die Kieler Woche bereits mit dem Herrenrigg zu segeln, wollten wir nun auch so viel wie möglich mit dem großen Segel trainieren. Das Wetter spielte leider denkbar schlecht mit. Von den 12 Tagen war es uns nur an zwei Tagen möglich, mit dem 49er zu trainieren, an den restlichen Tagen war wegen zu viel Wind effektives Training nur mit dem Damenrigg möglich. Besser als keine Vorbereitung, dennoch nicht gerade optimal.
Kieler Woche 2017
Vom 22. bis 26. Juni stand auch 2017 wieder die Teilnahme an der Kieler Woche auf dem Plan, dieses Jahr allerdings zum ersten Mal im olympischen 49er. Nachdem die Saison bereits Ende Januar begonnen hatte, war es nun auch endlich mal Zeit, sich mit einigen der besten Segler der Welt zu messen.
Da die Kieler Woche von Anfang an in unserer Saison nur als Vorbereitungsregatta für die Europameisterschaft (Ende Juli in Kiel) eingeplant war, entschieden wir uns, trotzdem zum ersten Mal mit dem großen Rigg zu starten. Plötzlich nicht mehr gegen gleichaltrige Jugendliche oder Damen, sondern gegen echte Segelgrößen wie den mehrfachen Goldmedaillengewinner Robert Scheidt aus Brasilien oder die deutschen Bronzemedaillengewinner Erik Heil und Thomas Plössl zu segeln, flößte einerseits großen Respekt ein, andererseits war es ein tolles Gefühl. Das Regattafeld mit 70 Teilnehmern war in zwei Fleets aufgeteilt, in welchen man nach zwei Tagen Qualifikation die letzten beiden Tage in Gold und Silver Fleet gegeneinander segelt.
Für den ersten Tag waren bei sehr wenig Wind drei Rennen geplant. Die ersten beiden Rennen taten wir uns sehr schwer: Das größte Problem war, sich am Start gegen die vielen erfahrenen Teams durchzusetzen, was nicht sehr gut gelang. Nachdem wir erkannt hatten, dass sich mit herkömmlichem Starten auf Backbordbug nicht viel holen ließ, versuchten wir es in der letzten Tageswettfahrt mit einem Steuerbordstart hinter dem Feld herum auf die rechte Kursseite hinaus. Alles verlief nach Plan und an der ersten Luvtonne waren wir Zweite, insgesamt beendeten wir das Rennen auf dem 6. Platz.
Für den zweiten Tag waren zuerst ca. 15 Knoten Wind angesagt, welche im Verlauf des Tages auf fünf Knoten abflauen sollten. Leider kenterten wir in der ersten Wettfahrt bei einer Halse und konnten danach keinen Anschluss mehr an das Feld finden. Im zweiten Lauf gelang es uns jedoch, sehr gut den abflauenden und gleichzeitig drehenden Wind zu nutzen, sodass wir im Ziel wieder unter den Top 10 waren: diesmal auf Platz acht. Während wir in den Hafen segelten, stieg die Anspannung, ob wir es durch unsere beiden guten Läufe in die Gold Fleet geschafft hatten. An Land gab es dann leider erneut die Enttäuschung. In Medemblik hatten uns sieben Punkte vom Medal Race getrennt, diesmal waren es sieben Punkte, die uns von der Goldfleet trennten. Wieder war die Enttäuschung sehr groß, im Nachhinein war es dennoch eine gute Leistung.
Die letzten beiden Tage der Regatta gingen wir also in der Silver Fleet an den Start, wobei besonders der erste davon ungeahnt hart wurde. Wind von 18 bis 25 Knoten mit einer sehr spitzen und hohen Welle führte dazu, dass wir das erste Rennen gemeinsam mit etwa der Hälfte des restlichen Feldes nicht zu Ende segeln konnten. Zu wenig Gewicht und zu wenig Training bei so viel Wind machten es uns schließlich unmöglich, überhaupt noch Vorwind bzw. mit Gennaker segeln zu können. Zwei Mal „DNF“ waren die Folge in den Ergebnissen.
Auch für den vierten Tag war ähnlicher Wind angesagt, glücklicherweise jedoch mit weniger Welle. Drei Wettfahrten lang gaben wir noch einmal unser Bestes, einerseits das Boot zu kontrollieren und andererseits den Kurs vernünftig abzusegeln, was trotz der einen oder anderen Kenterung einigermaßen gelang. Schlussendlich beendeten wir unsere erste 49er-Regatta auf dem 55. Rang und als fünftes U-20 Team – ein Ergebnis, das hinsichtlich der Europameisterschaft Mut macht. Hier gilt es, unter die Top 50% der U-20 Teams zu fahren, um sich damit für den C-Kader zu qualifizieren.
Bis dahin stehen nun nochmal ein Trainingslager in Kiel, viele Stunden Bootsarbeit sowie viel Zeit im Kraftraum auf dem Plan!
Leon Severens 49er GER 161