WYC-Surfer Toni Wilhelm ist bei Olympia in Rio
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Als Erster der deutschen Seglerinnen und Segler ist Toni Wilhelm am 24. Juli mit seinem Trainer Pierre Loquet nach Rio geflogen. Für den 33-Jährigen begann damit das dritte olympische Abenteuer. „Ich möchte die Olympischen Spiele noch einmal genießen. Natürlich wäre eine Medaille zum Abschluss großartig. Ich gehe aber ganz locker in den Wettkampf.“
Rückblick:
Toni Wilhelms dritte Olympia-Teilnahme begann eigentlich mit dem Medal Race von Olympia 2012. An dritter Stelle liegend verpasste er einen Winddreher beim Start und war sogleich am Tampen des zehn Starter starken Medaillenrennens. Als Neunter kam er ins Ziel, die Medaille war futsch, Toni insgesamt „nur“ Vierter. Vor den Spielen damals wäre er noc sofort mit dem vierten Platz zufrieden gewesen – doch nachdem im Medal Race sogar Silber in greifbarer Nähe war, ist er heute noch verärgert über diese Wettfahrt. Toni hat also noch eine Rechnung offen. Zwei seiner damaligen Konkurrenten auf dem Podium sind auch diesmal wieder dabei – Surfen hat sehr viel mit Erfahrung zu tun.
Nach den Spielen 2012 gab es erst einmal einen Durchhänger – für alle Surfer (sehen wir einmal von der Auszeichnung von Toni Wilhelm mit der „Silbernen Lädine“ des Bodensee-Segler-Verbandes ab). Denn der Weltseglerverband hatte damals bewiesen, dass er manchmal eigene Wege geht – und hatte zeitweise die Kiter ins Programm genommen, die Surfer dafür hinausgekickt. Doch Ende 2012 wiederrief die damalige ISAF (heute „World Sailing“) diese Entscheidung. Die Surfer (M+W) waren wieder drin. Toni Wilhelm absolvierte 2013 aber erst einmal das schon länger geplante Aufbaustudium „Master of Advanced Sports Administration and Technology“ in Lausanne.
Anfang 2014 nahm er das Training auf dem Wasser (den Kraftraum hatte er nie vernachlässigt) wieder auf, erkämpfte tolle Erfolge. Nur bei der WM 2014 in Santander griff er buchstäblich daneben: Er hatte das falsche Brett genommen und merkte den Missgriff erst an der Startlinie. Die Konzentration für die folgenden Rennen an diesem Tage war fort und auch die Qualifikation für das Medal Race dieser WM, Toni kam auf Platz 12. Nichtsdestotrotz kletterte der WYC-Surfer bis Anfang 2015 in der Weltrangliste bis auf Platz vier.
Die Qualifikationskriterien des DOSB für das Ticket 2016 erfüllte Toni Wilhelm zunächst scheinbar mühelos (Sechster in Hyères 2015, Neunter bei der EM 2015 in Sizilien). Doch nach dem Test-Event im August 2015 in Rio, wo Toni Zehnter wurde, war der Surfer völlig unzufrieden. Ein bisschen zu viel Routine hatte sich offenbar in die beinahe pausenlos absolvierten Regatten eingeschlichen. Im Grunde genommen hatte ihn der Korridor zwischen Platz fünf und zehn gefangen genommen. „Ich muss raus aus der Komfortzone“, kündigte er eine radikale Umstellung seines Trainings an. „Ich brauche mehr vom Gewinner-Gen“, hatte er mit seinem Trainer Pierre Loquet besprochen. Mehr Aggressivität auf der Regattabahn sollte eingeübt werden.
Zurück in der Schweiz radelte er mit dem Mountain-Bike über ein paar Pässe (offroad, versteht sich). Im Gelände passierte nichts – aber ein paar Tage später im Kraftraum. Toni Wilhelm rutschte bei einem Sprung über den Kasten ab und brach sich das Handgelenk. Die Schrecksekunde war groß. Mit der Verletzung musste erneut alles umgestellt werden, die Teilnahme an der WM 2015 im Oktober im Oman musste er absagen.
Der DOSB stimmte zu, die dritte Qualifikation auf die schon für den Februar in Eilat (Israel) am Roten Meer anberaumte WM 2016 zu verlegen. Bis dahin war Toni Wilhelm wieder fit, surfte auf Rang 16 (was ihn zwar nicht zufrieden stellte) und sicherte sich damit als erster Segler die Nominierung für Rio.
Noch machte sich der Wettkampfrückstand bemerkbar, doch in den folgenden Events war Toni Wilhelm immer gut dabei: Platz fünf bei der Trofeo Prinçesa Sofia in Palma (Euro-Cup), Platz acht beim World-Cup in Hyères 2016, und zuletzt gewann er den World-Cup auf dem alten Olympia-Revier in Weymouth!
Am 12. Juli verabschiedete der Württembergische Yacht-Club seinen Top-Surfer gen Rio (Bericht HIER), am 24. Juli traf er mit Trainer Loquet in Rio de Janeiro ein. Die Surfbretter und -Segel werden in Rio gestellt. Toni Wilhelm übernahm sein neues Material und testete gleich auf dem Atlantik. Dort rollte noch eine Riesendünung von Unwettern in den Tagen zuvor und Toni glitschte die Wellenberge nur so hinunter.
Erste Eindrücke aus Rio
Am Mittwoch vor der Eröffnung gab es ein Team-Meeting aller deutschen Segler mit Trainern und DSV-Sportdirektorin Nadine Stegenwalner, die als Team-Leiterin in Rio ist. „Wir passen als Team unglaublich gut zusammen und haben gemeinsam viel Potenzial. Es macht Spaß, das zu sehen und zu erleben“, sagt Toni Wilhelm über die deutsche Delegation. „Seit wir unser Material bekommen haben, bin ich wirklich gut unterwegs. Was ich hier bislang auf dem Wasser zeigen konnte, war top. Ich habe mich in meiner Karriere noch nie so fit gefühlt wie jetzt und genieße jede Minute“, wird Toni Wilhelm in den DSV-News vom 4. August zitiert.
Toni Wilhelm ist kurz vor dem Beginn der Spiele optimistisch: „Ich weiß, was auf mich zukommt, kann von positiven und negativen Erfahrungen aus der Vergangenheit zehren. Ich gehe die olympische Regatta relaxt, aber dennoch sehr, sehr fokussiert an und hoffe, dass es der Schlüssel zu mehr sein wird.“
Ausblick
Im Olympischen Dorf – in Rio sind die Segler wieder mit allen anderen Sportlern in der gleichen Stadt und dem großen Olympischen Dorf – teilt er sich ein Zimmer mit dem Allgäuer Laser-Segler Philipp Buhl. Die beiden gehören zu den Seglern der deutschen Equipe, die als erste auf die Bahn müssen: Surfer und Segler beginnen am 8. August mit ihren Wettkämpfen.
Da können wir vom WYC nur noch sagen: „Go, Toni gooooooo!!!!!
Toni Wilhelm im Steckbrief
Bootsklasse: RS:X Surfbrett, Männer
Geboren am: 05.02.1983 in Lörrach
Wohnorte: Lausanne (Schweiz), Dogern (bei Waldshut, Südschwarzwald)
Ausbildung: Sportwissenschaftler (Magister, Abschluss 2010 an der Uni Kiel); 2013 Aufbaustudium Master of Advanced Sports Administration and Technology in Lausanne
Verein: Württembergischer Yacht-Club
Hobbys: Skifahren, Surfen, Tennis, Golf
Erfolge seit Olympia 2012
1. Platz World Cup Weymouth 2016
8. Platz World Cup Hyères 2016
5. Platz Euro Cup Palma de Mallorca 2016 (Trofeo Prinçesa Sofia)
10. Platz Test-Event Aquece Rio 2015
9. Platz Europameisterschaft 2015, Sizilien
6. Platz World Cup Hyères 2015
9. Platz World Cup Final 2014, Dubai
5. Platz Europameisterschaft 2014
7. Platz World Cup Hyères 2014
4. Platz World Cup Palma de Mallorca 2014
4. Platz Champions Sailing Cup Gardasee 2013
2. Platz World Cup Palma de Mallorca 2013
4. Platz bei den Olympischen Spielen 2012
DOSB-Qualifikation für das Olympia-Ticket 2016:
- World Cup Hyères 2015: Platz 6
- Europameisterschaft 2015, Sizilien: Platz 9 (europäische Wertung: 8.)
- Weltmeisterschaft 2016, Israel: Platz 16
interne deutsche Konkurrenten: ehrlicherweise keine. Das temporäre Aus für die Surfer nach Olympia 2012 hat die meisten Surfer verschreckt.
Weltrangliste, Stand 13. Juni 2016 (fett: Teilnehmer in Rio)
1. Pawel Tarnowski, POL
2. Aichen Wang, China
3. Ivan Pator Lafuente, ESP
4. Byron Kokkolanis, GRE
5. Dorian van Rijsselberge, NED
6. Matteo Sanz Lanz, SUI
7. Mattia Camboni ITA
8. Ricardo Santos, BRA
9. Nick Dempsey, GBR
10. Tom Squires, GBR.
23. Toni Wilhelm
Favoritenkreis in Rio (am Start sind 36 Surfer aus 36 Nationen)
- das Podium der WM vom Februar 2016: 1. Piotr Myszka POL, 2. Dorian van Rijsselberge, NED (der Dritte, Kiran Badloe aus NED, ist nicht in Rio)
- das Podium der WM vom Oktober 2015: 1. Pierre Le Coq FRA, 2. Aichen Wang CHN, 3. Dorian van Rijsselberge NED
Rückblick: das Podium in London/Weymouth 2012: Gold Dorian van Rijsselberge NED, Silber Nick Dempsey (GBR), Bronze Przemyslaw Miarczynski POL, nicht in Rio dabei), Vierter: Toni Wilhelm GER
Der Zeitplan für die Surfer:
Mo 8.8, Di 9.8, Do 11.8, Fr 12.8., Medal Race am So 14.8. – jeweils ca. 18 Uhr MESZ. Die Tage dazwischen sind Ruhe- bzw. Reservetage.
aktuelle Infos zu Olympia 2016: https://www.olympic.org/sailing
zum Vergleich die Segel-Ergebnisse von Olympia Weymouth 2012:
https://de.wikipedia.org/wiki/Olympische_Sommerspiele_2012/Segeln
DSV
http://www.dsv.org/rio-2016/news/